Conrad Felixmüller

Gastbeitrag: Detlef Petereit

Die nächsten öffentlichen Führungen finden statt am
08. und 09. Juni 2024 sowie am 07. und 08. September 2024
und gern auch auf Anfrage.

Einen sehr interessanten Einblick in die Geschichte des uns besonders interessierenden Bereiches des ehemaligen Bahnbetriebswerks Charlottenburg (heutige „Brache“/„Steintal“) verdanken wir dem Maler Conrad Felixmüller.

Wir möchten uns an dieser Stelle ganz besonders herzlich bei der Enkelin des Künstlers, Frau Susanne Geister, und ihrer Cousine für die Einwilligung bedanken, beide Gemälde:
=> „Häusermeer und Schienenstränge“ 1934, Öl/Lwd., 45 x 50 cm, GV 602 und
=> „Berlin, Charlottenburger Stadt- und Fernbahngleise im Schnee (Blick von
       unserer Wohnung)“ 1935, Öl/Lwd., 58 x 67 cm, GV 660 [zum Bild]
auf unserer Webseite abbilden zu dürfen.
Es freut mich besonders, dass dadurch dieses bislang wohl eher vernachlässigte Werk nun auch noch 88 Jahre nach seiner Entstehung durch unsere intensive Beschäftigung damit eine späte und zusätzliche Würdigung erfährt.

Conrad Felixmüller zog 1934 nach Berlin, in die Rönnestraße 18. Der Ausblick von seinem Fenster auf die Anlagen der damaligen „Eisenbahnmeisterei Charlottenburg“ und die dahinter liegenden Häuser der Heilbronner Straße hat ihn offenbar derart fasziniert, dass er ihn noch im selben Jahr in dem Bild „Häusermeer und Schienenstränge“ festhielt.

Das Gemälde befindet sich heute – finanziert aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin – im Besitz des Stadtmuseums Berlin (Inv. GEM 85/11).

Conrad Felixmüller: Häusermeer und Schienenstränge
Conrad Felixmüller: Häusermeer und Schienenstränge, 1934, Öl auf Leinwand, 45 x 50 cm, GV 602
[Fahren Sie mit der Maus über das Bild für im Text verwendete Kennzeichnungen. Klicken Sie hier für eine große Darstellung]

Ein Indiz für diese Faszination könnte die im Gemälde auf den ersten Blick fesselnde Farbenpracht sowie der hohe Farbkontrast bei gleichzeitiger Farbenvielfalt im Bereich der zentralen Gebäude und Gleisanlagen sein. Dies hebt sich deutlich von dem eher stark bedeckten Himmel (selbst dort setzt er leuchtendes Reinweiß ein) und der zwar noch farbvielfältigen, aber doch wesentlich kontrastärmeren Häuserzeile im Hintergrund ab. Hätte man nicht bei der Abbildung einer solchen Industrieanlage eher dunklere, blaugraue Farben erwartet? Diese setzt der Künstler auch ein, sparsam und vorwiegend im Bereich der Gebäude des Rundlokschuppens, der Dächer des Heizhauses, des sich links daneben befindlichen (durch uns noch nicht näher identifizierten, mit „ 4 “ gekennzeichneten) Gebäudes und des im Hintergrund vorbeifahrenden Fernzuges. Dagegen hebt er mit leuchtend gelb-grünen Farben die verbliebene Natur in diesem Bereich hervor, die mit den angenehmen gelben und rötlichen Tönen in den Gebäuden der Anlage sympathisieren. Bemerkenswert sind auch die freundlichen Brauntöne der Gleisanlagen.
Vor einiger Zeit wandte ein Besucher unserer Webseite ein, dass die eher gedeckten Farben des Rundlokschuppens und des Hintergrundes bei gleichzeitig farbenprächtigem Vordergrund daran liegen könnte, dass der Künstler im Gemälde einen Licht-(Sonnen-)einfall von hinten – also aus Richtung der Rönnestraße – darstelle. Praktisch ist das aber nicht möglich und würde somit im Widerspruch zur „Neuen Sachlichkeit“ stehend, nicht zu den Prinzipien des Künstlers passen. Der Blick aus dem Fenster Conrad Felixmüllers geht nämlich in Richtung Süden (vgl. unsere Karte unten), die Rönnestraße liegt im Norden der Anlage. Von dort kann also kein Sonnenlicht kommen. Tatsächlich hat der Künstler auch einige Schatten am Schornstein („10“), der Brücke („ 7 “) und der sich dazwischen befindlichen S-Bahn gezeichnet, die auf ein nachmittägliches Sonnenlicht zwischen 16 und 17 Uhr schließen lassen.


Am 07. Februar 1882 wurde die Berliner Stadtbahn (später S-Bahn) für den Stadtverkehr eröffnet. Dazu bedurfte es an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet Wartungsstationen für die seinerzeit noch dampfbetriebenen Lokomotiven.

Gegenüber des Fensters der von Conrad Felixmüller neu bezogenen Wohnung befand sich die bis 1882 errichtete Charlottenburger Lokomotivstation mit einem Rundlokschuppen (auf dem Bild oben, in der Karte und im Luftbild unten mit „ 1 “ gekennzeichnet) für bis zu 23 dampfbetriebene Lokomotiven der Berliner Stadtbahn, die mit einer Drehscheibe auf den entsprechenden Gleisen abgestellt wurden sowie Anlagen zur Ausschlackung, Bekohlung und zum Wasserfassen. Nach einer ministeriellen Verfügung wurden solche Stationen am 20.03.1922 in „Bahnbetriebswerk“ umbenannt.

Anmerkung: Die an verschiedenen Stellen auf dieser Webpräsenz WestkreuzPark.de zu findende Bezeichnung „Rangierbahnhof Charlottenburg“ ist falsch, so etwas hat es nie gegeben. Oft wird dies mit dem Rangierbahnhof Grunewald verwechselt oder gleichgestellt, wie zum Beispiel hier (was die Quellen 1 und 2 belegen). Tatsächlich aber hat es einen „Rangierbahnhof Charlottenburg“ nie gegeben.
Eine Korrektur der betreffenden Beiträge durch die Autoren wäre sehr wünschenswert.

Die seit 1926 vorangetriebene Elektrifizierung der Stadtbahn führte hier in diesem Bereich auch zu einigen einschneidenden Veränderungen der Gleisanlagen und des Bahnverkehrs. Hier war seinerzeit der Bahnring um Berlin (noch) nicht geschlossen. Die Züge aus/in Richtung Witzleben (heute „Messe Nord/ICC“) und weiter von/nach Westend fuhren über die heute nicht mehr vorhandene Nordkurve, die später noch eine Rolle spielen wird, zum Bahnhof Charlottenburg. Ebenso Züge aus/in Richtung Halensee; sie fuhren über die sog. Südkurve, von der heute nur noch ein Gleis vorhanden ist und – jedoch selten – befahren wird.

1928 wurde zwischen den Bahnhöfen Witzleben und Halensee der Ring geschlossen und an der Stelle, wo die Bahnstrecke nach Spandau gequert wurde, zum Umsteigen ein Bahnhof namens „Ausstellung“ errichtet, der – wie der Name vermuten lässt – auch dem Zugang zum nahegelegenen Ausstellungsgelände, der Berliner Messe, dienen sollte. Im Januar 1932 bekam er dann seinen heutigen Namen „Westkreuz“. Die Abbildung rechts zeigt in einer Luftaufnahme den noch nicht ganz fertigen Bahnhof und den Verlauf der Gleisanlagen im Vergleich zu einer Aufnahme aus dem Jahre 2015 (»hier« vergrößert und interaktiv, Sie können hier die Karte selbst und am Doppelpfeil die Bildtrennlinie verschieben).

Dank an den „Tagesspiegel“.

Die Elektrifizierung führe 1929 dazu, dass die letzten Dampflokomotiven der Berliner Stadtbahn verschwanden, nachdem bis November 1928 alle Zulaufstrecken (Potsdam und Erkner bereits bis Juni, nun auch Kaulsdorf, Grünau und Spandau am 10.12.1928) elektrifiziert waren, 1929 der Spandauer Vorortverkehr ebenfalls auf die elektrifizierten Stadtgleise verlagert wurde und schließlich auch der „Ring“ vollelektrisch befahren werden konnte. Am 10. Februar 1929 (vgl. hier) wurde das Bahnbetriebswerk Charlottenburg offiziell geschlossen und fortan als Eisenbahnmeisterei Charlottenburg genutzt. Das war auch in soweit korrekt, da dieser Bereich bis 1937 tatsächlich zu Charlottenburg gehörte, danach jedoch zu Wilmersdorf.

Auf der Grundlage des Gesetzes über die Verfassung und Verwaltung der Reichshauptstadt Berlin vom 01.12.1936 änderte 1937 das Groß-Berlin-Gesetz mit Wirkung zum 01. April 1938 zahlreiche Begradigungen der Bezirksgrenzen sowie einige größere Gebietsänderungen. Beides betraf auch diesen Abschnitt (bis dahin orangefarbene Linien auf der Karte): Zum einen fiel die Eisenbahnmeisterei Charlottenburg an Wilmersdorf, zum anderen gingen das schon seit 1913 genutzte Kleingartengelände nördlich der Stadtbahn, der neue „Bahnhof Westkreuz“ und weitere Teile an Charlottenburg (rote Linie). Der Name »Eisenbahnmeisterei Charlottenburg« wurde jedoch bis zur Außerdienststellung nach schweren Schäden durch alliierte Luftangriffe 1944/45 beibehalten.

Bezirksgrenze 1920 bis 1938
Orange Linie: Bezirksgrenze 1920, rote Linie: Bezirksgrenze ab 1938,
schwarze Linie: Eisenbahntrasse bis 1928 nach Spandau.
— Karte: https://www.openstreetmap.de/karte.html

Weitere Informationen zur gemeinsamen Grenze zwischen den Städten Charlottenburg und Wilmersdorf finden Sie in einem Gastbeitrag von Dr. Michael Roeder auf unserer Webseite.

(Der Vollständigkeit halber: Im Dezember 1930 wurde die Bezeichnung S-Bahn und das Symbol eines weißen S auf grünem Grund für die Stadt-, Ring- und Vorortbahnen eingeführt.)

Trotz der großräumigen Anlage war es also zu Zeiten des Einzugs Conrad Felixmüllers hier schon deutlich ruhiger geworden, als bei seiner Indienststellung Ende des 19. Jahrhunderts. Kein geschäftiges, lautes Treiben mehr auf den vielen Gleisen, keine dampfenden Lokomotivschornsteine der Stadtbahn mehr in diesem Bereich [lediglich dampfbetriebener Fernverkehr auf den weiter entfernten Fernbahngleisen, siehe Conrad Felixmüller: „Charlottenburger Stadt- und Fernbahngleise im Schnee“]. Der Rundlokschuppen (mit „ 1 “ gekennzeichnet), der Wasserturm (mit „ 5 “ gekennzeichnet) mit dem sich direkt daneben anschließenden Wasserwerk sowie die lärmtreibenden Bekohlungs- und Ausschlackungsanlagen hatten ihre Hochzeit nach der Elektrifizierung der Berliner Stadtbahn seit fünf Jahren hinter sich. Das hat sich schließlich auch positiv auf die Wohnqualität hier in der Umgebung ausgewirkt.
Die von Felixmüller links unten im Bild geschwindigkeitsverzerrt in Richtung Westkreuz (nach rechts) rasende, gelb-rote, elektrisch betriebene S-Bahn ist ein deutlicher Beleg dafür.


Das Gemälde bildet etwa den in der folgenden Karte markierten Bereich ab.

Orientierungskarte zum erfassten Bereich.
[Bitte fahren Sie mit der Maus über das Bild zum Einnorden der Karte.]

Hier greift der Künstler zu einem Trick: Je weiter wir nach rechts blicken, um so mehr macht er von einer starken perspektivischen Verzeichung Gebrauch. Während der linke Bereich bis zum Ende des Schornsteins („10“) rechts des Rundlokschuppens („ 1 “) im Gemälde 78 % der Bildbreite einnimmt, sind es auf der Karte gerade einmal 37 %. So gelingt es ihm, im verbleibenden Bildbereich eine sehr viel weiter rechts gelegene Brücke über die S-Bahn (hier mit „ 8 “ gekennzeichnet) darzustellen.
Dem Künstler war es offenbar wichtig, wenigstens andeutungsweise am rechten Rand den erst sechs Jahre zuvor (1928) als „Bahnhof Austellung“ in Betrieb genommenen und zwei Jahre (1932) vor der Entstehung des Gemäldes in „Westkreuz“ umbenannten Bahnhof (mit „ D “ gekennzeichnet) mit abzubilden, der – sehr viel weiter rechts gelegen – sonst nicht mehr auf das Bild gepasst hätte.
Dies führt dann auch dazu, dass die Schienen im Bild [in neuem Fenster] nach rechts (Richtung Brücke „ 8 “) eine deutliche Kurve zeigen, während sie tatsächlich (vgl. Karteöffnet in neuem Fenster) bis zum Ende der Rönnestraße am heutigen Eingang zur Kleingartenanlage (auf Höhe „ A “ / „ 9 “) parallel zur geraden Rönnestraße verlaufen.
Wegen dieser Verzerrung erscheinen auch die Gleise und das Dach (mit „ D “ gekennzeichnet) des Ringbahnsteiges des Bahnhof „Westkreuz“ nahezu parallel zur Rönnestraße, während sie tatsächlich fast rechtwinklig zur Rönnestraße verlaufen (gleiche Karte am rechten Rand).

Auch ist zunächst nicht ganz klar, worum es sich bei der oben mit „ 8 “ gekennzeichneten Brücke wirklich handelt. Tatsächlich wäre vom Fenster Conrad Felixmüllers als erstes die Güter- und Fernbahnbrücke der Nordkurve (bis vor einigen Jahren als Fußgängerbrücke zwischen den beiden Kleingartenanlagen auf der jeweils anderen Seite der S-Bahn genutzt, von der DB gesperrt, wird zur Zeit abgerissen, unmittelbar am Vereinshaus gelegen) zu sehen. Es liegt aber auf den ersten Blick die Vermutung nahe, dass der Künstler auf dieses Detail zu Gunsten der Bedeutung des neuen Westkreuz-Bahnhofes verzichtet hat und direkt den oberen Ring-Bahnsteig des S-Bahnringes abbildete. Das wäre ungewöhnlich für einen Künstler der „Neuen Sachlichkeit“, zu deren wesentlichen Vertretern Conrad Felixmüller zählt.

[Bei starker Vergrößerung rechts erkennbar:] Die sich leicht verzerrt, scheinbar in Bewegung setzenden, regelmäßigen Fenster (mit „ S “ gekennzeichnet) einer möglichen gelb/roten S-Bahn [ähnlich der S-Bahn links unten im Gemälde] mit dem sich darüber befindlichen, hell glänzendem (weil noch neuem) Dach („ D “) des Ringbahnsteiges und (ganz rechts am Rand) ein unterhalb angedeutetes Dach des sich dort befindlichen S-Bahnsteigs (mit „ B “) stadtein-/auswärts in Richtung Charlottenburg lassen diese Vermutung auf den ersten Blick wahrscheinlich erscheinen. Denkbar wäre aber auch in Einklang mit der „Neuen Sachlickeit“ (und dieser Interpretation fühle ich mich näher), dass es sich bei den dunkelgrauen (mit „ B “ gekennzeichneten) Linien/Gleisen um die dreispurige Fernbahnbrücke der Nordkurve handelt, mit dahinter/darüber angedeutetem Durchblick auf den Ringbahnsteig („ D “) und dort anfahrender S-Bahn in Richtung Halensee („ S “; Fernzüge sind nicht gelb/rot). Als Beleg für die von mir postulierte, letztere Variante dient mir die links neben dem „ B “ angedeutete – wenngleich auch unter Berücksichtigung der perspektivischen Verzeichnung zu schmal dargestellte – Zugdurchfahrt durch die Brücke der Nordkurve. Eine solche Zugdurchfahrt ist bei dieser Brücke nämlich auf beiden Seiten (links für die stadteinwärts, rechts für die stadtauswärts fahrende S-Bahn) vorhanden, während es so etwas beim auf Metallträgern aufgestelzten S-Bahnsteig des Ringes des Bahnhofs Westkreuz gar nicht geben kann. Der Künstler hat sich also offenbar für einen – beim Blick aus seinem Fenster durch die Perspektive möglicherweise sogar naheliegenden – Kompromiss zwischen der Brücke der Nordkurve vorn und dem deutlich dahinter liegenden Fernbahnsteig der Ringbahn entschieden.
Falls man sich mit dieser Interpretation rein gar nicht anfreunden kann, könnte man auch die sich scheinbar nach links (in Analogie zur unten links im Gemälde abgebildeten S-Bahn) bewegende S-Bahn („ S “) AUF der Brücke der Nordkurve mit vorn liegendem S-Bahngleis stadteinwärts vom Bahnhof Westend zum Bahnhof Charlottenburg vorstellen.
In unserer obigen Karte haben wir den Standort der Brücke der Nordkurve mit „ 8 “ gekennzeichnet; der Standort des Ringbahnsteiges ergibt sich aus der Karte ( bei „ D “).

Lediglich die mit „ 2 “ gekennzeichneten Lager- und Aufenthaltsgebäude sowie der mit „ 3 “ gekennzeichnete Schornstein mit angrenzendem Heizhaus sind 1934 noch voll in Betrieb und heute auch noch als Ruinen vorhanden, der Rundlokschuppen „ 1 “ mit angrenzendem Wasserturm „ W “ existiert nicht mehr, ebenso das mit „ 4 “ gekennzeichnete Gebäude, dass durch uns noch näher ergründet werden muss.


Erst im Frühjahr 2022 identifizierten wir den noch heute in Betrieb und bei jeder unserer Führungen auch genutzten Ausgang des Fußgängertunnels unterhalb der S-Bahngleise (mit „ 9 “ gekennzeichnet). Durch diesen Tunnel gelangten seinerzeit die Eisenbahner von der Rönnestraße kommend nach anschließender Benutzung der mit „ 7 “ gekennzeichneten Brücke über die noch heute vorhandene S-Bahn-Südkurve (stadteinwärts) direkt zum Rundlokschuppen.

Im Gemälde von Conrad Felixmüller ist dieses kleine Detail nur schwach (dunkleres Blau unterhalb der „ 9 “) zu erkennen, stellt aber heute für uns eine interessante Orien-
tierung dar, weil sowohl die Brücke „ 7 “ als auch der Schornstein „ 10 “ nicht mehr vorhanden sind. In diesem Bildausschnitt finden wir auch noch eine interessante Besonderheit für einen Maler der „Neuen Sachlichkeit“, zu denen Felixmüller gehört:
Tunnelausgang

Es hat den Anschein, als befinde sich der ganze Bereich links neben dem Tunnelausgang – der Brückenaufgang „ 7 “, die Brückenpfeiler, die gesamte Fläche bis hin zur links hinter dem Gebäude (Rundlokschuppen) verschwidenden S-Bahn – auf einer Ebene. Tatsächlich ist das aber nicht ganz so. Unmittelbar links hinter dem Tunnelausgang „ 9 “ kommt zu jener Zeit das stadtAUSwärts führende Gleis der S-Bahn-Südkurve ebenfalls aus einem Tunnel, der – genau wie der Fußgängertunnel – die Gleise unterquerte. Der weitere Verlauf der stadtauswärts führenden S-Bahn-Südkurve deckt sich (unter Berücksichtigung der perspektivischen Verzeichnung) mit dem Verlauf der Brücke „ 7 “ ⇒ wird also quasi bei wohlwollender Betrachtung von ihr verdeckt. Das Weglassen dieses nicht unwesentlichen Details ist für einen Vertreter der „Neuen Sachlichkeit“ schon bemerkenswert. Wir werden im weiteren Verlauf der Betrachtung dieses Gemäldes noch an einer anderen Stelle die Weglassung eines nicht unwesentlichen Details bemerken und diskutieren. Dort – wie vermutlich auch hier – würde die detailgetreue Abbildung (ein Merkmal der „Neuen Sachlichkeit“) jedoch das Auge des Betrachters verwirren. Daher darf wohl vermutet werden, dass sich der Maler auch hier aus gleichem Grund für das komplette Weglassen dieses zusätzlichen Gleises entschieden hat. Uns hat es jedoch verwirrt, so daß wir dieses Detail erst auf Hinweis eines Besuchers unserer Führung 2023 erkannten. Vielen Dank!

Die unterquerende Gleisein- und -ausfahrt ist links auf dem Luftbildausschnitt von 1954 deutlich zu erkennen.


Auch im links unten dargestellten Ausschnitt des Gleisplanes von 1977 ist das stadtauswärts führende Gleis der S-Bahn-Südkurve eingezeichnet und wurde zu dieser Zeit auch genutzt. Es wurde zwar durch den Ringschluss und den Bau des Westkreuzes nicht mehr benötigt und abgerissen, dann aber wieder aufgebaut, später noch einmal abgerissen und doch wieder aufgebaut.
Erst 2001 bis 2004 wurden die Gleise endgültig abgebaut und der Tunnel zugeschüttet. Er existiert nicht mehr – wohl aber die Böschung.

Diese zweite Ebene des unterquerenden Gleisbettes können Sie auch heute noch erkennen, wenn sie aus dem Tunnel „ 9 “ kommend auf die linke Seite durch den Zaun der hier stark abfallenden Böschung blicken.

Dieses Gleis, nennen wir es einfach mal „Tunnelgleis“ — weil es das einzige Gleis auf dem ganzen Gelände ist, das durch zwei Tunnel/Unterführungen (bei „ 9 “ und „ P “) hindurch verläuft — also dieses Tunnelgleis hat wohl die aufregendste und abwechslungsreichste Geschichte aller Gleise hier im Bereich hinter sich. Das hängt damit zusammen, dass die sogenannte Südringkurve von der Stadtbahn in den südlichen Teil der Ringbahn (Charlottenburg Halensee) schon von Anfang an – also schon zu Zeiten, als die Züge hier noch von Dampflokomotiven gezogen wurden – eine große Bedeutung hatte. Der Bereich des Südring zwischen Halensee und Innsbrucker Platz (sechs Stationen auf einer Länge von 4,4 km) hatte sich schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer Wohngegend mit vielen finanziell besser gestellten Einwohnern entwickelt. Die Verbindung über die Stadt- und Ringbahn in die Berliner Innenstadt war in vielen Bereichen der südlichen Ringbahn schneller, als die Fahrt mit der Straßenbahn.

Die heutige Linie U4 (zum Insbrucker Platz, damals Linie B1) fuhr seit 1910 nur innerhalb der damals noch selbständigen Stadt Schöneberg. Der Bau der U3 (ehem. Linie A) mit Anschluss an den Heidelberger Platz begann erst 1910 und die U9 (ehem. G) kam schrittweise ab 1961 hinzu (Anschluss an den Bundesplatz seit 1971).

Die Bedeutung der Südringkurve wird auch daran deutlich, dass sie ganztags im Zehnminutentakt befahren wurde, zudem war hier der Anteil Reisender in der damaligen 2. Wagenklasse deutlich höher, als auf anderen Strecken. Nach Eröffnung des Bahnhofs „Ausstellung“ (später „Westkreuz“) konnten Reisende zusätzlich auch dort zwischen Ringbahn und Stadtbahn umsteigen.

Nach dem Krieg wurde das „Tunnelgleis“ abgebaut, dagegen blieb das Gleis von Halensee nach Charlottenburg für Betriebsfahrten betriebsbereit. Um die begüterten Bewohner von Wilmersdorf wieder für die S-Bahn zu gewinnen (vermutlich auch wegen der bevorstehenden Konkurrenz durch die geplante U9) baute die DDR-Reichsbahn das abgebaute „Tunnelgleis“ wieder auf und nahm am 16.11.1958 erneut den durchgehenden S-Bahnverkehr auf der Südringkurve auf (Zuglauf Papestraße, jetzt „Südkreuz“ – Halensee – Charlottenburg – Mahlsdorf [später Ostberlin]); ab 31.05.1959 von Grünau [später Ostberlin] über Papestraße nach Mahlsdorf.
Ab 13. August 1961 (Mauerbau der Zugverkehr zwischen Ost- und Westberlin wurde eingestellt) fuhren die Züge nur noch zwischen Köllnische Heide – Halensee – Charlottenburg – Zoo und später zeitweise bis zur Friedrichstraße.
Mit dem Streik der Reichsbahner in West-Berlin ab 16./17.09.1980 gab es dann hier keinen Zugverkehr mehr. Dieser wurde auch nach Streikende auf der Südringkurve und dem gesamten Ring in West-Berlin nicht wieder aufgenommen. Die beiden Gleise der Südringkurve blieben liegen. Das Gleis von Halensee nach Charlottenburg wurde mit der Übernahme der S-Bahn in West-Berlin von der Deutschen Reichsbahn durch die BVG am 09.01.1984, durch sie für Betriebsfahrten zum S-Bahnhof Papestraße (jetzt „Südkreuz“) genutzt. Bereits im November 1987 entfiel im Bahnhof Charlottenburg die Weiche, über die bisher die Einfahrt in das „Tunnelgleis“ möglich war.
Während 1989/90 anlässlich des Wiederaufbaus des Südringes das stadteinwärts führende Gleis von Halensee nach Charlottenburg erneuert wurde, erfolgte der Abriss des stadtauswärts führenden Gleises sowie die Zuschüttung des Tunnels im Zuge der Erneuerung der S-Bahnstrecke zwischen Charlottenburg und Westkreuz in den Jahren 2001 bis 2004.

Nachfolgend habe ich zwei Luftaufnahmen (1928 und 2015) gegenüber gestellt. In der Aufnahme von 2015 ist auch heute noch der Verlauf des Tunnelgleises durch die Linie in der Baumvegetation sowie an Spuren der Tunneleinfahrt aus Richtung Charlottenburg zu erkennen.


In dem folgenden, stark vergrößerten, Ausschnitt einer Luftaufnahme von 1954 sind diese Elemente auch gut zu sehen. In diesem Bereich interessieren wir uns zur Zeit besonders für das mit „ A “ (links im Bild) gekennzeichnete und durch den Schatten (der einen Rückschluss auf die Höhe zulässt) leicht erkennbare Gebäude über dem Tunneleingang von der Rönnestraße. An dieser Stelle ist auch auf dem Plan von 1930 ein Gebäude eingezeichnet, ohne näher benannt zu sein. Auf dem Gemälde von Conrad Felixmüller ist es außerhalb des rechten Bildrandes nicht mehr enthalten.
Was befand sich hier?

Ausschnitt eines Lufbildes von 1954 – Norden ist auf der linken Seite!
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Wenn wir schon mal bei solch faszinierenden Besonderheiten im Gemälde sind, möchte ich Sie noch auf zwei weitere Kleinigkeiten hinweisen:
Im Hintergrund in der Mitte – auf den Gleisen der Fernbahn -„fährt“ ein Fernzug. Diese wurden seinerzeit ausschließlich mit Dampflokomotiven bewegt. Mit nur ganz wenigen – aber dafür reinweißen – Punkten gelingt es dem Künstler, dies im Gemälde vorn an der Lokomotive dezent festzuhalten. Die alte Dampftechnik tritt gegenüber der neumodisch, elektrisch betriebenen S-Bahn (unten links) in den Hintergrund.
Ich möchte Sie auch noch auf ein zweites, von vielen unbemerktes, Detail in Verbindung mit diesem Fernzug aufmerksam machen: In der Mitte des Zuges (oben im Gemälde mit M gekennzeichnet) bildet der Künstler einen in der Farbgebung an einen „MITROPA“-Wagen erinnernden Wagon ab. MITROPA war die 1916 gegründete „MITteleuROPäische Schlaf- und Speisewagen Aktiengesellschaft“ mit Direktionssitz in der Berliner Friedrichstraße. Sie fügte (neben über Nacht fahrenden Schlafwagen) Fernzügen – oft in der Mitte, um von allen Wagons gut erreichbar zu sein – einen Speisewagen mit eigener Küche, Buffet und Gästeplätzen an meist weiß gedeckten Tischen hinzu. Die Wagen waren außen rot mit durchgängig gelbem Strich und gelber Beschriftung. Ein solcher Wagen hebt sich im Gemälde unmittelbar rechts neben dem Schornstein deutlich von den anderen Wagons des Fernzuges ab.


An dieser Stelle sei mir eine persönliche Anmerkung gestattet:
Besonders fasziniert mich die exakte und detailgetreue Darstellung, zum Beispiel der vier vom Fenster des Malers aus sichtbaren Signalanlagen (im obigen Bild von links nach rechts – im unteren Plan mit 13, 113, 114 und 14 gekennzeichnet), aber auch des eben erwähnten Speisewagens, oder des mit „9“ gekennzeichneten Tunnelausgangs, sowie der stadteinwärts separat verlaufenden S-Bahndurchfahrt unter der mit „8“ gekennzeichneten Bahnbrücke.
Trotz der künstlerisch äußerst geschickt eingesetzten perspektivischen Verzeichnung des Bildes ist eine sehr genaue Lagebestimmung (i.V.m. der folgenden Abbildung) möglich. Ich sehe darin auch ein bedeutendes Merkmal der „Neuen Sachlichkeit“ in der Kunst, zu deren wesentlichen Vertretern Conrad Felixmüller zählt.

Im Bereich vor dem Fenster Conrad Felixmüllers befinden sich die Gleise 35 bis 46, die sehr schön aus einem Gleisplan für das Jahr 1977 hervorgehen. Die folgende Abbildung zeigt die Gleisanlage vor dem Bau (2003 bis 2006) des neuen (heutigen) S-Bahnhofs Charlottenburg und der damit verbundenen Verlegung (oft auch als „Umklappen“ bezeichnet) der beiden S-Bahnsteige (ursprünglich Bahnsteig C und D) in Richtung Osten [im abgebildeten Plan nach links], näher an den U-Bahnhof Wilmersdorf heran. Der erste, zur S-Bahn naheliegende, Fernbahnsteig (ehem. Bahnsteig B) blieb erhalten und ist auch heute noch – mit Ausnahme des Ausgangs auf der Seite der Signalanlagen G und H – als Fernbahnsteig in Betrieb. Der Bahnsteig A wurde abgerissen.
Während es früher drei Zugänge zu den beiden Bahnsteigen der S-Bahn und zwei zu den Fernbahnsteigen gab, müssen wir uns heute mit nur zwei Zugängen zur S-Bahn (je einer am Ende der Bahnsteige) und gar nur einem zum verbliebenen Fernbahnsteig zufrieden geben.

Berlin-Charlottenburg, km 11,26 Stadtbahn, Stand: 20.09.1977
In dieser Abbildung sind die Gleise derS-Bahn grün dargestellt, ebenso auch die oben im gelben Kasten erwähnten, sämtlich zur S-Bahn gehörigen Signale 13, 113, 114 und 14.
Die Lage der Gleise 38 bis 40, 42 und 44 bis 46 ist im obigen Bild mit „ 6 “ gekennzeichnet.

Deutlich (weil gestrichelt) ist hier auch die in unserer Karte oben violett eingezeichnete Streckenführung der ehemaligen Fernbahngleise von und nach Westend (grau) und des stadteinwärts führenden Teils der S-Bahn-Nordkurve (grün) über die derzeit gerade im Abriss befindliche Brücke „ 8 “ sowie im weiteren Verlauf über die S-Bahn-Südkurve vor der Brache/Steintal (in der unteren Abbildung mit P gekennzeichnet) zu erkennen. Der am unteren Rand der Karte grün gestrichelt eingezeichnete Verlauf der ehemaligen, stadtauswärts führenden Nordkurve der S-Bahn dient heute als Fußweg am nördlichen Rand des „WestkreuzPark!“s, resp. der Kleingartenanlage und ist bei unseren Führungen ein ebenso zentrales Element, wie die gerade benannte Brücke P .

Auch die nächste hier zu erwähnende Abbildung zeigt einen schönen Überblick der Anlage im Bild von Conrad Felixmüller. In dieser Abbildung aus dem Jahr 1930 sind zusätzlich die Gleise 113, 37, 116 sowie ein benachbart weiteres Gleis (ohne Nummer) unterhalb der Böschungsmauer zur Fernbahn eingezeichnet.

BW Charlottenburg 1930
Fahren Sie mit der Maus über das Bild für im Text verwendete Kennzeichnungen.
Klicken Sie hier für eine größere Darstellung]

Sehr schön ist hier auch der kleine, heute noch als Fußgängertunnel erhaltene Durchgang (in der Abbildung mit „ T “ gekennzeichnet) unterhalb des ehemaligen S-Bahngleises der Nordkurve stadtauswärts nach Westend zu erkennen, den alle Besucher, von der Rönnestraße kommend, auf dem Weg zum Vereinshaus durchqueren müssen.

Bemerkenswert ist, dass der hier im Gleisplan von 1930 und ganz am Ende dieser Seite im Luftbild von 1954 mit W gekennzeichnete, dort deutlich erkennbare, Wasserturm am Rundlokschuppen im Gemälde nicht zu finden ist.

Sollte dieser Wasserturm direkt hinter dem Belüftungshütchen des Rundlokschuppens aus Sicht Conrad Felixmüllers verborgen gewesen sein? Über jedem Rundlokschuppen erhebt sich ein solches Hütchen (vgl. Rummelsburg [Bitte warten, Zugriff auf Webarchiv dauert bis zu 20 Sekunden!] oder Pankow-Heinersdorf [dto.]) zur Ableitung der giftigen Verbrennungsgase und des Wasserdampfes der Lokomotiven. Da ein Wasserturm den Rundlokschuppen in der Höhe überragt, ist es eher unwahrscheinlich, dass er durch das Entlüftungshütchen aus Sicht Conrad Felixmüllers gerade vollständig verdeckt gewesen wäre.

Solche Wassertürme wurden – wie z.B. hier in Berlin-Schöneweide – gemeinsam mit der Gesamtanlage errichtet, in unserem Fall also wohl vor 1882 gebaut. Im Gegensatz zum Wasserturm in Schöneweide ist – wie die folgende Luftaufnahme von 1927 zeigt – unser Wasserturm in Charlottenburg jedoch mit einer ausgesprochen runden Kuppel unter eine Spitze ausgestattet; eine Ähnlichkeit mit dem Entlüftungshütchen des Rundlokschuppens kann also nahezu ausgeschlossen werden – es sei denn, es würde lediglich die Spitze den Rundlockschuppen überragen, was noch zu zeigen sein wird.

Zur Zeit der Entstehung des Gemäldes 1934 hatte der Wasserturm nach Elektrifizierung der Stadtbahn 1929 seine Hauptfunktion eigentlich schon verloren, wurde aber wohl noch von der Eisenbahnmeisterei genutzt. Er ist zwar (vgl. auch oben) im Plan von 1930 eingezeichnet, aber nicht namentlich (wie andere Gebäude) erwähnt. Luftaufnahmen von 1927 (rechts und unten) sowie 1954 zeigen den Wasserturm deutlich.Tunnelausgang

Aber warum ist der Wasserturm NICHT auch auf dem Gemälde von Conrad Felixmüller?
Ich vermute, dass der Künstler auf die Abbildung des Wasserturmes – der sich aus seiner Sicht und Perspektive dicht neben dem Entlüftungshütchen des Rundlokschuppens befand und diesen nur wenig überragte – verzichtet hat, um den Betrachter nicht mit zwei ähnlich aussehenden „Spitzen“ auf dem Rundlokschuppen zu verwirren.
Ein – wie ich meine – erwähnens- und beachtenswertes Detail für einen namhaften Vertreter der Neuen Sachlichkeit in der Kunst.

Einen Hinweis zur Bestätigung dieser These finden wir auf einem alten Foto von 1905, das aus dem vom Blick her rechten Nachbarhaus (Rönnestraße 19) aufgenommen wurde. Auf der Stadt-, Ring- und Vorortbahn fuhren die Züge noch mit Dampflokomotiven, wie auf dem Foto deutlich zu erkennen ist.

Doch wenden wir uns nun der im Gemälde Felixmüllers weggelassenen Spitze des Wasserturms „ W “ zu. Deutlich sind hier auf dem Foto (v.l.n.r.) der „alte“ Wasserturm „ 5 “, die Spitze des Entlüftungshütchens des Rundlockschuppens „ 1 “ und rechts daneben – ein klein wenig höher als das Entlüftungshütchendie Spitze des zur Diskussion stehenden Wasserturms „ W “ zu erkennen. Aber eben nur die Spitze und nicht (wie schon erwähnt) das im Gegensatz zu anderen Wassertürmen jener Art und Zeit deutlich rundere Dach des Wasserturms.

Auf diesem Foto ist der Wasserturm „ W “ am rechten Rand des Entlüftungshütchens zu erkennen, während der „alte“ Wasserturm „ 5 “ das Dach des Rundlockschuppens überragt. Aus Sicht der in Blickrichtung ein Haus weiter links befindlichen Wohnung Felixmüllers würde die Spitze des Wasserturms W näher an die Spitze des Entlüftungshütchens 1 heran rücken und der „alte“ Wasserturm „ 5 “ erscheint dann auf dem Gemälde links neben dem Rundlockschuppen.
Dies soll als hinreichend für unsere obige These angesehen werden.

Während der Rundlokschuppen nach Kriegsende als Reparationsleistung von den Russen abtransportiert wurde, lohnte es sich beim Wasserturm W offenbar nicht – wie das Luftbild noch 1954 zeigt.

Aus meiner Sicht ebenso bemerkenswert ist umgekehrt, dass auf diesem Plan von 1930 jenes, im Gemälde von 1934 sowie auf unserer Karte mit „ 4 “ gekennzeichnete Gebäude fehlt. Im Luftbild von 1954 ist es an der mit 4? gekennzeichneten Stelle nicht (mehr?) vorhanden; mit viel Phantasie könnte man einen Bereich erahnen, in dem es stand. Im Gelände lassen sich dafür jedoch keine Hinweise mehr finden, zumal der Abstand zwischen den alten Gleisen deutlich kleiner ist, als man von der Abbildung im Gemälde her erwarten würde und noch dazu zwei von ihnen durch das Gebäude hindurch verlaufen. Auch bei Betrachtung der Gleispläne (a) und (b) ist noch nicht klar, um welche beiden Gleise es sich dabei handeln könnte. Das mit „ 4 “ gekennzeichnete Gebäude ist aber auch auf dem Gemälde „Charlottenburger Stadt- und Fernbahngleise im Schnee“ von Conrad Felixmüller 1935 am rechten Rand sowie auf einer Luftaufnahme von 1940 zu sehen.
Es darf also davon ausgegangen werden, dass es zwischen 1930 und 1934 erbaut, dort nur wenige Jahre stand.

„Luftaufnahme
Bereiche um den noch nicht erbauten Umsteigebahnhof „Ausstellung“ – später: „Westkreuz“.
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In obigem Flugzeugfoto sind sehr schön die (hier noch geplanten) Veränderungen im Zusammenhang mit der Elektrifizierung der Stadtbahn, der Verlegung des Spandauer Vorortverkehrs auf die nun elektrifizierten Gleise, der Schließung des S-Bahnringes sowie des damit verbundenen Baus des zunächst als Bahnhof „Ausstellung“ (mit Bezug zum Messegelände), später in „Westkreuz“ umbenannten Umsteigebahnhofs zu erkennen. Alle drei Nordkurven wurden abgebaut, was auch heute noch sehr deutlich im Gelände zu erkennen ist – oft durch Wege, einige noch vorhandene Schienen, auch durch die noch vorhandene Brücke „ P “ und dort gefundene, zugeschüttete und mit zwei Stufen überbaute Schienen, oder auch die im Frühjahr/Sommer 2023 abgerissene Brücke „ 8 “, von der lediglich heute [Oktober 2023] noch die beiden Brückenvidukte über das jeweils äußerste stadtein– und stadtauswärts führende S-Bahngleis vorhanden ist. Das Brückenviadukt über das linke, stadteinwärts führende S-Bahngleis ist an der mit „ 8 “ gekennzeichneten Stelle im Gemälde von Conrad Felixmüller deutlich zu erkennen. Es kann – zusammen mit dem Anliegen, den nur sechs Jahre zuvor in Verbindung mit dem Schließen des S-Bahnringes neu eröffneten S-Bahnhof „Ausstellung“ (heute „Westkreuz“) – als Grund für die Anwendung einer starken perspektivische Verzeichnung im Gemäle Felixmüllers als stilistisches Mittel angesehen werden, um diese beiden markanten – ihn offenbar auch faszinierenden – Blickpunkte (noch mit) auf dem Gemälde abbiden zu können.

In obigem Flugzeugfoto sind sehr schön die (hier noch geplanten) Veränderungen im Zusammenhang mit der Elektrifizierung der Stadtbahn, der Verlegung des Spandauer Vorortverkehrs auf die nun elektrifizierten Gleise, der Schließung des S-Bahnringes sowie des damit verbundenen Baus des zunächst als Bahnhof „Ausstellung“ (mit Bezug zum Messegelände), später in „Westkreuz“ umbenannten Umsteigebahnhofs zu erkennen. Alle drei Nordkurven wurden abgebaut, was auch heute noch sehr deutlich im Gelände zu erkennen ist – oft durch Wege, einige noch vorhandene Schienen, auch durch die noch vorhandene Brücke „ P “ und dort gefundene, zugeschüttete und mit zwei Stufen überbaute Schienen, oder auch die im Frühjahr/Sommer 2023 abgerissene Brücke „ 8 “, von der lediglich heute [Oktober 2023] noch die beiden Brückenvidukte über das jeweils äußerste stadtein– und stadtauswärts führende S-Bahngleis vorhanden ist. Das Brückenviadukt über das linke, stadteinwärts führende S-Bahngleis ist an der mit „ 8 “ gekennzeichneten Stelle im Gemälde von Conrad Felixmüller deutlich zu erkennen. Es kann – zusammen mit dem Anliegen, den nur sechs Jahre zuvor neu eröffneten S-Bahnhof

Auf einem dieser Wege, jenem der mittleren Nordkurve, etwa an der Stelle des roten „ X “ zwischen den Markierungen „ P “ und „ 8 “ , befindet sich zum Beispiel noch dieser, im September 2021 fotografierte Hektometerstein, den Sie bei einer unserer Führungen gern auch suchen können…
Gleiches gilt für verschiedene Filmsets, die im „Heckenkrieg“ genutzt wurden.

Deutlich zeichnen sich in der obigen „Flugaufnahme“ auch die beiden schon vor 1920 (mehr) bereits existierenden Kleingartenan­lagen ab. Uns liegt der Nachweis einer der als Nummer 27 ersten, mit 01. November 1920 datiert begonnenen Mitgliedschaft vor. Der zugehörige Kleingarten ist in dieser Luftaufnahme (rechts oben) mit „ K “ gekennzeichnet. Nach dem Zusammenschluss der bis 1920 landeseigenen Einbahngesellschaften zur Deutschen Reichsbahn gründete sich der Hauptver­band Deutscher Reichsbahn-Kleinwirte (26.11.1920). Aber das ist ein anderes Thema, zu dem Sie mehr bei der Teilnahme an einer unserer Führungen durch das Areal sowie in einem gesonderten Beitrag hier auf der Webseite erfahren können.


Conrad Felixmüller: Berlin, Charlottenburger Stadt- und Fernbahngleise im Schnee (Blick von unserer Wohnung), 1935, Öl auf Leinwand, 58 x 67 cm, GV 660

Weitere Bilder mit Blick aus der Wohnung in der Rönnestraße 18, an dessen Haus sich heute eine Gedenktafel befindet, sind dem Gemäldeverzeichnis nicht zu entnehmen.

Am 20. Mai 2022 ehrten wir Conrad Felixmüller anlässlich seines 125. Geburtstages am Folgetag.
Am 10. und 11. September 2022 finden im Rahmen des Tag des offenen Denkmals Führungen statt.

Detlef Petereit


Zum Abschluss folgen noch einige Fotos, die einen weiteren Einblick in die Entwicklung dieses Bereiches des alten Bahnbetriesbwerks Charlottenburg geben.

Die ersten beiden schwarz/weiß Fotos – von der Rönnestraße 19 aus aufgenommen, dem Nachbarhaus Felixmüllers – stammen aus dem Jahr 1905, also einer Zeit, in der das Bahnbetriebswerk voll in Betrieb war. Die S-Bahn fuhr noch mit Dampflokomotiven und von dem erst 1928 in Dienst gestellten Bahnhof „Ausstellung“ (der dann am 15. Januar 1932 in „Westkreuz“ umbenannt wurde) gibt es noch keine Spur [erstes Foto; vergrößern Sie gemäß der unten stehenden „Hinweise zur Bedienung...“ auf Originalgröße]. Es sind ja noch nicht einmal die Schienenstränge zur Spandauer Vorortbahn (später für die S-Bahn nach Spandau genutzt) vorhanden, die erst 1907–1909 unter anderem zur Entlastung der bestehenden Strecke von der Stadtbahn zum Bahnhof Spandau, des sogenannten Hamburger Stadtbahnanschlusses, gebaut wurden. Lediglich die Schienen der heute nicht mehr vorhandenen „Nordkurve“ zeichnen sich deutlich im Schnee ab. Bei der erkennbaren Brücke handelt es sich um jene bei uns mit „ P “ gekennzeichneten und bei unseren Führungen als PhotoPoint genutzten Brücke der Fernbahn über die Südkurve.

Die sich anschließenden Bilder zeigen einen Planausschnitt und Luftaufnahmen jener Gebäude, von denen noch heute Ruinen zu finden sind, die dann in den Farbfotos aus dem Jahre 2018 dargestellt sind.

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Detlef Petereit

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