Wohnungen statt Kleingärten – ein kritischer Dialog (Update)

Baubeginn nicht vor 2021

Projektentwickler Arne Piepgras fordert Masterplan für Bebauung von Kleingartenflächen und legt eine exemplarische Studie für ein Gelände am Spandauer Damm vor

Hierzu eine kritische Stellungnahme von Angelika Paul.

 

 

Berliner_Kleingaerten_in_grosser_Gefahr

der Projektentwickler und Investor Arne Piepgras will sämtliche 
Kleingartenflächen Berlins bebauen und behauptet, damit das 
Wohnungsproblem zu lösen.
Er blendet aus, dass Wohnen allein nicht glücklich macht, sondern ein 
grünes Umfeld dazugehört,

Investoreninteressen UND Bevölkerungsinteressen

Berliner Kleingärten in großer Gefahr

Investor Arne Piepgras zur Bebauung von Kleingartenflächen

Arne Piepgras ist einigen sicherlich schon ein Begriff im Zusammenhang mit dem Dragoner-Areal, das er nicht zurückgeben wollte1.

Sicherlich hat der/die eine oder andere die ganzseitige Anzeige des Projektentwicklers und Investors Arne Piepgras vom 21. April 2018 in Erinnerung. Piepgras macht Glauben, dass die Kleingärten Berlins angesichts der Wohnungnot verlorenes Terrain sind, und fordert, dass sie zur Bebauung freigegeben werden sollen. Diese Forderung verkleidet er demagogisch in eine Gerechtigtkeitsfrage:

Ist es gerecht, dass absehbar Hunderttausende Berliner Bürger das Stadtgebiet wegen steigender Mieten verlassen müssen? Wäre es nicht gerechter, die Kleingärten ins Umland umzusiedeln und damit hier Platz zu schaffen für eine Wohnungsbauinitiative, die diesen Namen verdient?”

Hier wiegelt Arne Piepgras Menschen auf, um sie in seinem Sinne zu beeinflussen. Natürlich will niemand, dass absehbar Hunderttausende Berliner Bürger das Stadtgebiet wegen steigender Mieten verlassen müssen. Er tut so, als ob die Kleingärtner dieses Problem lösen könnten, wenn sie die von ihnen bewirtschafteten Flächen aufgeben. Er verschweigt, dass er, Immobilienentwickler und Investor Piepgras, zur Mietenexplosion mit den von ihm gebauten Wohnungen zur Verdrängung vieler Menschen aus der Stadt Berlin beiträgt. Denn diese sind zumeist Eigentumswohnungen oder Mietwohnungen zu Quadratmeterpreisen, die sich ein alteingesessener Berliner vom Arbeiter bis zum Mittelstand kaum noch leisten kann.

Zudem suggeriert Piepgras, dass das Berliner Umland vor der Haustür liegt. Interessengerichtet wird vergessen, dass nicht nur den Kleingärtnern die Naherholung schwer- wenn nicht unmöglich gemacht wird, sondern außerdem Arbeitenden nach Arbeitsschluss, Kindern, Behinderten und Alten fußläufig erreichbare Grünanlagen vorenthalten werden.

Darüberhinaus nimmt Piepgras den Stadtbewohnern Berlins ihre Klimaanlage, die kein Mensch der Natur nachbauen kann: Das Stadtgrün, wozu die Kleingartenanlagen zählen, kühlt nicht nur die Stadt durch Verdunstung und schafft ein erträglicheres Wohnklima, sondern filtert gleichzeitig Feinstaub aus der Luft, liefert Sauerstoff zum Atmen, bindet Kohlendioxyd (CO2) und weitere Ökosystemdienstleistungen. Kleingartenflächen und alles Grün in der Stadt schaffen Lebensqualität und unterstützen die Gesunderhaltung der Menschen. Eine kluge Stadtpolitik denkt Wohnungsbau und Stadtgrün zusammen und schafft einen Ausgleich zwischen Investoren- und Bevölkerungsinteressen.

In Berlin kommt noch der besonders komfortable Umstand hinzu, dass direkt unter der Stadt der Grundwasserkörper liegt, aus dem die Metropole ihr Trinkwasser schöpft. Dieser wird zu wenig aufgefüllt, wenn Versickerungsflächen mehr und mehr verschwinden, so dass eines Tages mit einem Trinkwassernotstand zu rechnen ist. Auch diesem Tatbestand muss eine verantwortungsvolle Politik Rechnung tragen.

Unterstützt wird der Investor in seinem bestreben, die Stadt mit Beton zu überhäufen, vom FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja: „Auch die Kleingärtner wissen, dass die Schaffung von günstigem Wohnraum nur durch eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung gelingen kann.”2 Dieser Politiker der Opposition ignoriert die Umwelt- und soziale Gerechtigkeitsfrage. Solche einseitige Sichtweise führt kaum zu den besten Ergebnissen im Gemeinsinn.

In Paris, London und New York City, wo Politiker die Investoreninteressen bereits nachhaltig bedient haben, ist schon heute das Klima im Sommer derartig unerträglich, dass diese Städte zugunsten von Stadtgrün bereits zurückgebaut werden. Und Berlin? Die Millionenstadt ist schon heute in Sommermonaten um 10 bis 11 Grad heißer als das Umland. Soll es noch schlimmer werden? Soll Berlin die Fehler anderer kopieren?

Umfrage von Arne Piepgras zur Bebauung der Kleingartenanlagen

Die ganzseitige Anzeige war nicht genug: Die BZ berichtet am 20. Juni 2018 „ganz exklusiv” und vier Tage später, am 24. Juni 2018, die Welt am Sonntag von einer Online-Umfrage des Umfrageinstitut respondi in Köln, die der Stimmungsmacher in Auftrag gegeben hat. Sie spricht von einem „repräsentativen”, Kleingärtner schockenden Ergebnis, das herausgekommen ist:

16,4 Prozent der Umfrageteilnehmenden wünschen eine vollständige Bebauung, 38 Prozent zumindest eine Teilbebauung der Kleingärten, zusammen also 54,6 Prozent. Die knappe Hälfte derjenigen, die den beeinflussenden Fragen ausgesetzt war, will die Kleingärten komplett erhalten. Laut Welt am Sonntag kommentiert Piepgras dieses grenzwertige Ergebnis mit den Worten: „Ich glaube, die Politik schätzt die Stimmung in der Stadt völlig falsch ein”. Da bin ich völlig gegenteiliger Meinung, wie im weiteren Verlauf dieses Berichtes belegt wird.

Was verschweigen die beiden Springer-Blätter Welt am Sonntag und BZ, die ein Klientel von hochgebildet bis bildungsarm ansprechen?

Erstens enthalten sie ihren Leserinnen und Lesern vor, dass das Umfrageinstitut seine Klienten bezahlt bzw. belohnt

Zweitens ist die Frage, ob 1000 Teilnehmer an einer Online-Umfrage für ein repräsentatives Ergebnis ausreichen.

Drittens lassen beide Blätter ihre Leser über die Fragestellung im Unklaren, so dass niemand merkt, dass es sich um Suggestivfragen handelte, die öfter zu den gewünschten Antworten führten:

Vor dem Hintergrund der in Berlin herrschenden Wohnungsnot und fehlenden Kitas und Schulen wird neuerdings diskutiert, ob die 20 Millionen Quadratmeter Kleingärten, die im Landeseigentum stehen, bebaut werden sollten, wenn gleichzeitig den Kleingärtnern Ersatzflächen im Umland angeboten werden.
Vor dem Hintergrund dieser Fakten, fänden Sie eine Bebauung von Kleingärten
-in Ordnung, wenn diese vollumfänglich geschieht. Kleingärten sind nicht mehr zeitgemäß und nützen nur wenigen, während der Bau von Kitas, Schulen und Wohnungen allen zugutekommt.
-in Ordnung, wenn diese teilweise geschieht. Ein guter Kompromiss sollte hier möglich sein.
-nicht in Ordnung. Kleingärten müssen erhalten bleiben.

Ganz generell wird im Artikel der Welt am Sonntag einseitig die Wohnungsfrage herausgestellt mit unbewiesenen Prognosen (40.000 Zuzüge jährlich). Vergessen wird, dass der Mensch nicht nur eine Wohnung braucht, sondern auch Erholungsflächen. Diese bestehen nicht nur aus Sportplätzen, sondern vor allem aus Grünanlagen, zu denen die Kleingärten zählen. Diese erfüllen wichtige gesundheitliche, soziale, klimatologische und ökologische Ansprüche, die Stadtbewohner haben. Und zwar wohnortnah, so dass auch ärmere Schichten, die nicht Fahrgelder für die Fahrt ins Umland ausgeben können, sich den Kleingarten leisten können, und das Verkehrsaufkommen mit seinen CO2-Emissionen nicht ausgeweitet wird. Auch Kinder, Alte und Kranke wollen sich gern erholen und können dazu nicht erst sonst wohin fahren. Noch dazu ist der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) schon heute überlastet. – Ganz nebenbei: Wie ist das mit der Empfehlung von 6 Quadratmeter wohnortnahem (fußläufig erreichbarem) Grün pro Einwohner? Selbst diese von der Politik beschlossenen Minimum-Richtlinie gleicht heute einem Phantomanspruch.

Der damalige Senator für Stadtentwicklung und Umwelt und heutige Regierende Bürgermeister Michael Müller ließ von seiner Verwaltung ein Flächenpotenzial für Berlin bis 2030 erstellen:

Daraus geht hervor, dass nur sieben Prozent der Kleingartenflächen für die Bebauung vorgesehen sind – und diese gehören zu den ersten, die bebaut werden sollen. Warum? Weil billiges „Acker“land in teures Bauland umgewandelt werden soll und den „Investoren“ die höchste Rendite bringt. Mit einer sinnvollen und verantwortungsbewussten Stadtentwicklung hat dies nichts zu tun.

Piepgras-Umfrage: Kleingärten sind nicht mehr zeitgemäß und nützen nur wenigen

Wann hat ein Mensch es nötig, jemanden oder einen Tatbestand zu verunglimpfen? Hat er es nicht dann nötig, wenn etwas seinen Interessen entgegensteht und er das ändern möchte? Kleingartenanlagen machen Städte und Gemeinden attraktiver für Zuziehende, hier Wohnende und Touristen. Soll man dieses enorme Plus für kurzfristige Gewinninteressen von Investoren zerstören?

Kleingärten haben in Berlin eine etwa 200-jährige Tradition. Ihre Anzahl wuchs vor allem in der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts, die durch dichte Bebauung gekennzeichnet war und heute von Investoren mittels Neubau selbst in begrünten Innenhöfen wieder angestrebt wird: „Das brachte auch soziale Veränderungen mit sich: Die Bevölkerung wuchs rasant, überbelegte Mietskasernen, dunkle Hinterhöfe und wenig Grün waren die Folge.”5 Damals spielte eine klimatisch aufgeheizte Stadt noch keine Rolle. Trotzdem verschlechterte sich die Gesundheit der Bevölkerung rasant. Heute wird es nicht mehr Tuberkulose sein, an der Tausende Menschen sterben, sondern Klimatote geben. Betroffen sind vor allem Kinder und Alte, chronisch Kranke und Menschen im besten Alter, die sich viel im Freien aufhalten (müssen).

Kleingärten sind nicht mehr zeitgemäß und nutzen nur wenigen? Mit der gleichen Logik könnte man auch behaupten, Museen, Opernhäuser und Theater seien nicht mehr zeitgemäß und nützen –anders als die Kleingärten, die ohne Eintritt jedermann zugänglich sind – nur wenigen. Denn diese Kulturstätten werden nur von einem sehr kleinen Teil der Gesamtbevölkerung regelmäßig genutzt. Wenn man so weit geht, sollte man also in diese Einrichtungen kein Geld reinpumpen, sondern Gebäude wie das Schloss Charlottenburg, das lediglich repräsentativen und Museeums-Charakter hat, zugunsten von Wohnraum abreißen. Tut man das? Warum nicht? Weil es Kulturgüter sind? Auch Kleingärten sind Kulturgüter. Sie sind nicht nur Ausdruck der Gartenkultur und erfüllen Bildungsfunktionen wie Umweltbildung, sondern darüberhinaus noch lebensnotwendige Bedürfnisse, nämlich ökologische, soziale, gesundheitliche und klimatologische Funktionen. Ergo bieten sie viel mehr als die Bewahrung von Vergangenheit.

Kleingärtner, die aus allen Bevölkerungsschichten kommen, von hier oder von dort, jung und alt und Integrationsfaktor sind, zahlen Pachtgebühren und investieren sehr viel Geld in die Bewirtschaftung und Gestaltung ihrer Gärten, sind also auch ein ernstzunehmender ökonomischer Motor. Sie stehen der Allgemeinheit offen zur Naherholung, sie helfen beim Erhalt der Biologischen Vielfalt, sie werden zu Klimagärten mit mehr Grünvolumen zur Kühlung der Stadt ausgebaut. Sie sind zum Sehnsuchtsort junger Familien geworden, denn hier können Kinder ungefährdet in freier Natur spielen und erleben den Kreislauf der Natur, das Wachsen und Reifen von Obst und Gemüse aus direkter Anschauung. 14.000 Berlinbewohner stehen auf den Wartelisten.

Kleingärten sind also angesagt und nützen allen Anwohnern, denn diese können sich auch Arme leisten. Hier spiegelt sich die Berliner Mischung, die bis dato auch im Wohnungsbestand üblich war und nun durch den Bau hochpreisiger Wohnungen und der damit einhergehenden Verdrängung ganzer Bevölkerungsschichten verändert wird. Damit geht das hervorragende Konzept der sozialen Mischung aller Bevölkerungsteile und dem daraus resultierenden sozialen Frieden in der Stadt verloren.

Die Beliebtheit von Kleingärten

Die Berliner Woche stellte am 30. Mai 2018 im Leserbarometer die Frage: „Sollten die Berliner Kleingärtner dem Wohnungsbau weichen?”6 Damit hatte sie einen Nerv getroffen, denn es beteiligten sich so viele Leser wie selten, genau 4757. Diese stimmten zu 94 Prozent mit NEIN, kläglich sechs Prozent mit ja.

Der Bürgerentscheid „Rettung der Kleingartenkolonie Oeynhausen“ am 25. Mai 2014 in Charlottenburg-Wilmersdorf präsentierte trotz einer hohen Kostenschätzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ein ähnliches Ergebnis: 85.000 der Abstimmungsberechtigten für deren Erhalt, 25.000 dagegen. 77 Prozent waren also für den Erhalt der Kleingartenanlage7. Die Politik setzte den Bürgerentscheid nicht um, sondern verfolgte die Interessen des Investors Groth, dem enge Beziehungen zum Berliner Senat nachgesagt werden. Die Kolonie Oeynhausen, die in einer Gegend mit überwiegend dreistöckigen Wohnhäusern liegt, wird zur Hälfte bebaut, u.a. mit achtstöckigen Wohngebäuden. Decken diese den Bedarf an leistbaren Wohnungen für die angestammte Berliner Bevölkerung mit 219 Eigentumswohnungen mit Quadratmeterpreisen ab 4.400 Euro und 400 Mietwohnungen, davon 65 Sozialwohnungen? Kaum.

Die Charlottenburg-Wilmersdorfer Bevölkerung leitete 2016 ein Bürgerbegehren zum Erhalt der Grünflächen im Berliner Bezirk ein und bekamen in Nullkommanichts Tausende Unterschriften mehr als die geforderten zusammen. Daraufhin beschloss sowohl der Ausschuss Stadtentwicklung als auch die BVV einstimmig das Zustandekommen des Bürgerbegehrens – ohne Änderung8.

Damit beugte die BVV dem klaren Votum der Bevölkerung mittels eines Bürgerentscheids vor.

Die Frage lautete: Stimmen Sie zu, dass das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf aufgefordert wird, die Grünflächen im Bezirk, einschließlich der Kleingärten, dauerhaft zu sichern und bestehende andere Planungen unverzüglich aufzuheben.

Grünflächen, wie Parks, Kleingärten, gewidmete Grünanlagen, und durch die Öffentlichkeit nutzbare Grünflächen, sind von jeglicher Bebauung auszunehmen und für kommende Generationen dauerhaft zu bewahren, so dass ihre Qualität für Naherholung, Umwelt- und Klimaschutz erhalten bleibt.”9

Auch die Schreberjugend Berlin befasst sich mit dem Stadtgrün und konzentriert sich in einer Umfrage auf zwei Fragen:

1. Denken Sie, dass Berlin ausreichend Stadtgrün hat? 2. Sollte Berlin zum Bau von Wohnungen Stadtgrün aufgeben? Zwischenstand der Antworten zu Frage 1: 59 Prozent sagen NEIN, zu Frage 2: 92 Prozent sagen NEIN10.

Erinnert werden soll auch an den Volksentscheid unter dem Titel 100 % Tempelhofer Feld vom 25. Mai 201411, um das Tempelhofer Feld vor Bebauung zu bewahren. Die Abstimmungsberechtigten verabschiedeten ein entsprechende Gesetz mit 739.124 (= 64,3 %) JA zu 410.021 Nein-Stimmen (35,8 %)12. Das Areal wird von Berlinerbewohnern und Touristen stark frequentiert – wie der Mauerpark, für dessen Erhalt sich etwa 40.000 Menschen ausgesprochen haben. Auch für den Erhalt der Parks Range in Lichterfelde Süd13 setzten sich Tausende Menschen ein – ohne Erfolg. Die Politik entschied zugunsten des Investors Groth. Dies sind nur einige Beispiele; immer wieder setzt sich die Bevölkerung für Grünerhalt ein – und immer wieder entscheidet die Politik für Investorinteressen.

Ganz allgemein belegt die Naturbewusstseinsstudie von 2016 des Bundesumweltministeriums (BfN), dass die Stadtnatur einschließlich der Kleingärten bei einer großen Mehrheit der Bewohner ein hoher Wert beigemessen wird. BfN-Präsidentin Beate Jessel: „Die Naturbewusstseinsstudie zeigt eines ganz deutlich: Die Natur spielt für die Bevölkerung eine sehr wichtige Rolle und hat für die Menschen eine hohe persönliche Bedeutung.”14

Im Ranking von Deutschlands grünsten Städten vom Mai 2016, das im Rahmen einer wissenschaftliche Studie im Auftrag der Berliner Morgenpost erstellt wurde, belegt Berlin einen der hintersten Plätze, nämlich den 63. von 79 untersuchten Städten15.

Resümee

Trotz manipulativer Fragen und Stimmungsmache hat die Piepgras-Umfrage nur eine äußerst knappe Mehrheit von 54,6 Prozent erzielt, wenn die Antworten auf die erste und zweite Frage addiert werden. Das Ergebnis der Umfrage bleibt somit im Rahmen der Ergebnisse bei Umfragen, die durch neutrale Fragenformulierung, Studien, Bürger- und Volksinitiativen bzw. -entscheiden zum Erhalt der Kleingärten und des weiteren Stadtgrüns, also der grünen Lunge Berlins, hohe Zustimmung ergeben haben. Die Interessen des Investors sind nicht gemeinwohlorientiert, sondern zielen auf Gewinnmaximierung, also persönliche Bereicherung, ab. Volksvertreter sollten dies nicht unterstützen, sondern eine kluge und verantwortungsvolle Stadtentwicklung anstreben. Ansonsten vertreten sie nicht die Interessen der Tausender, wofür sie vom Volk bezahlt werden, sondern Partikularinteressen der Investoren. Damit begeben sie sich in den Verdacht, diesen zum eigenen Vorteil zu dienen. Direkte (Geld / Immobilien u.a.) und weiße Korruption (Karriere in der Wirtschaft nach Beendigung der politischen Amtszeit) ist schon häufiger bei Spitzenkräften aufgedeckt worden. Der Fraktionszwang und die Parteienkarriere tut ihr Übriges; wer nicht spurt, fliegt raus und muss auf hohe monatliche Einkünfte aus der Abgeordnetentätigkeit verzichten.

Einseitig für Investoreninteressen Stimmung zu machen, ohne Abwägung von Für und Wider, halte ich für zu kurz gegriffen. Eine gute Stadtplanung bezieht ausreichendes Grün mit ein und radiert es nicht aus. Damit würde auch dem Beschluss des Senats von Berlin vom 13. März 2012 „Berliner Strategie zur Biologischen Vielfalt” entsprochen, der in der Präambel mitteilt:

Im Bewusstsein der Bedeutung biologischer Vielfalt für die Bürgerinnen und Bürger und die Stadtgesellschaft Berlins… ferner im Bewusstsein der Bedeutung biologischer Vielfalt für eine hohe und steigende Lebensqualität, insbesondere ihrer Erholungsfunktion sowie ihrer direkten und indirekten Beiträge zur menschlichen Gesundheit… in dem Wunsch, bestehende Vorkehrungen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung biologischer Vielfalt zu ergänzen und weiter zu entwickleln, bekennt sich Berlin ausdrücklich zu den in der „Berliner Strategie zur Biologischen Vielfalt” dargelegten strategischen Zielen und verfolgt nachdrücklich deren Erreichung durch Entwicklung und Umsetzung geeigneter Maßnahmen.16

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller hält laut Welt am Sonntag vom 24.6.2018 Kleingartenanlagen für „ein Markenzeichen Berlins”. Im Koalitionsvertrag von SPD, Linke und Grünen steht, „in der wachsenden Stadt werden in ausreichendem Maße Flächen für Kleingärtner*innen gesichert.

Berliner Bürgerinnen und Bürger sind nicht gegen Wohnungsbau für Berlin, aber gegen die Bebauung in ökologischer, klimatologischer, sozialer und gesundheitlicher Hinsicht wichtiger Grünflächen. Das Abgeordnetenhaus selbst kam Anfang 2013 übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Freiflächen des Landes für den nötigen Wohnungsneubau ausreichen, ohne Grünflächen aufgeben zu müssen.

Nun gilt es nur noch, dass Haltung und Handeln übereinstimmen. DAS stärkt die Glaubwürdigkeit der Abgeordneten und Politiker. Und dem folgt das Vertrauen der Bürger in ihre Politik. Die viel beschworene Politikverdrossenheit? Das würde kaum noch einer kennen…

Quellen

1 https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/immobilien/dragoner-areal-der-bundesrat-hat-gegen-das-gesetz-verstossen/21051270.html

2 Welt am Sonntag, Auflage: 36.696, vom 24.6.2018

5 https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/stadtgruen/geschichte/de/kleingaerten/index.shtml
6 Berliner Woche, Leserbarometer, 30. Mai 2018

7 https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/verwaltung/aemter/amt-fuer-buergerdienste/wahlamt/fruehere-wahlen-und-abstimmungen/buergerentscheide/artikel.201470.php

8 https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/politik/bezirksverordnetenversammlung/online/vo020.asp?VOLFDNR=5920

9 ebd.

10 Gartenfreund, Juli 2018

11https://de.wikipedia.org/wiki/Volksentscheid_zum_Tempelhofer_Feld_in_Berlin

13 https://www.berliner-woche.de/lichterfelde/c-bauen/buergerbegehren-gescheitert_a88376

14 https://www.bmu.de/pressemitteilung/naturbewusstseinsstudie-deutsche-wollen-strengere-regeln-fuer-die-landwirtschaft/

15 https://interaktiv.morgenpost.de/gruenste-staedte-deutschlands/

16 http://www.berlin.de/senuvk/natur_gruen/naturschutz/downloads/publikationen/biologische_vielfalt_strategie.pdf

Angelika Paul, 05.07.2018

Angelika Paul ist Diplom-Biologin und Diplom-Betriebswirtin (FH) und engagiert sich im ökologischen und sozialen Bereich.

Wir danken für die frdl.  Überlassung des Beitrages

Naturbewußtseinsstudie

Geschichten aus alter Zeit: 2008-vor 10 Jahren droht uns selbiges ?

Post hat Gartenkolonie in Schmargendorf verkauft

Kleingarten Region Ruhwald

von wegen es gäbe nur die Kleingärten als Restflächen:

Garagenflächen als Baulandreserven

Juli 6, 2018

Schlagwörter: Bauen, Kleingarten, Stadtentwicklung, Umwelt

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