NATUR ERLEBEN: Die Charlottenburger Schweiz am Westkreuz

 

 

In der Charlottenburger Schweiz

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BUND-Berlin

Neben dem Eisenbahnbe-
trieb hat auch die Kleingärtnerei
Spuren in der Westkreuz-Wildnis
hinterlassen.

 

Statt Wohnhäusern soll am S-Bahnhof Westkreuz ein Park entstehen. Doch schon heute lohnt sich ein Spaziergang auf dem Gelände.

NATUR ERLEBEN: Die Charlottenburger Schweiz am Westkreuz

Fernab der Alpen greifen die Menschen gerne zur Bezeichnung „Schweiz“, wenn eine Landschaft besonders schön, ein bisschen hügelig und in ihrer Ausdehnung eher übersichtlich ist – siehe Holsteinische Schweiz, Märkische Schweiz und Sächsische Schweiz.

In Berlin ist noch kein Landstrich zu dieser Ehre gekommen. Dabei gibt es einen würdigen Kandidaten. Östlich des Bahnhofs Westkreuz wechseln sich auf einer nur 17 Hektar großen Fläche mitunter erstaunlich naturnahe Kleingärten mit städtischer Wildnis ab, die auf nicht mehr genutzten Bahnanlagen entstanden ist. Die ehemaligen Bahndämme sorgen für eine bergige Topografie, sodass einige Gartenparzellen an steilen Hängen liegen. Wie in der echten Schweiz gehören auch einige recht häufig befahrene Schienenstränge zur Kulisse. Wer in einen anderen Teil dieser Bahnlandwirtschaft-Kolonie will, muss Treppen steigen. Unter- und Überführungen sorgen dafür, dass die Fernbahn, die S-Bahn zwischen Charlottenburg und Westkreuz sowie die Verbindungsbahn zwischen Ringbahn und Stadtbahn keine unüberwindbaren Hindernisse darstellen. Durch die Charlottenburger Schweiz zu wandern bedeutet daher einige Höhenmeter zu machen. Und fast wie ein schneebedeckter Viertausender taucht immer wieder die helle Silhouette des ICC als Fixpunkt auf.

Doch damit enden die Parallelen zur Schweiz. Glücklicherweise orientiert man sich am Westkreuz weder in der Finanz- noch in der Einreisepolitik an der Eidgenossenschaft: Die der Öffentlichkeit zugängliche Gaststätte verlangt nur moderate Preise (in Euro) und auch nicht-zahlende Erholungssuchende sind auf den Wegen der Kolonie willkommen. Eigentlich logisch, schließlich zählen Kleingärten offiziell zu den landwirtschaftlichen Flächen, zwischen denen die Allgemeinheit spazieren gehen darf. Das Gelände ist zwar ummauert bzw. eingezäunt, aber mit zwei Türen versehen (Achtung: Im Winter ist nur der Eingang Rönnestraße 29 offen, ab April öffnet der Eingang Dernburgstraße 36). Das führt zu der etwas kuriosen Situation, dass das Areal direkt an den S-Bahnhof Westkreuz heranreicht, von dort aus aber nicht betreten werden kann. Noch. Denn das grüne Kleinod wird sich im nächsten Jahrzehnt langsam ändern.

Ein Bebauungsplan zur Nichtbebauung

Anders als an vielen anderen Orten Berlins droht die Charlottenburger Schweiz aber nicht der Bauspekulation zum Opfer zu fallen. Das Bezirksamt hat beschlossen, das Gelände per Bebauungsplan als Grünfläche zu sichern. Die Bahn als Eigentümerin kann die Flächen nun nicht mehr an Bauinvestoren verkaufen. Möglichst vielen verschiedenen Bedürfnissen will der geplante Westkreuzpark gerecht werden. Vorausgesetzt der Bezirk kann das Gelände von der Bahn erwerben, soll neben öffentlichen Grünflächen mit Spielplätzen und Sportanlagen je ein kombinierter Fuß- und Radweg in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung samt Zugang zum S-Bahnhof Westkreuz entstehen. Zum Ärger der Kleingärtner gibt es aber keinen Bestandschutz für sämtliche Parzellen. Stattdessen sollen Teile des Parks unter dem Arbeitstitel „Perforation Gärten“ als Mosaik von verschiedenen traditionellen und weniger Gartennutzungen (Urban Gardening, Waldgärten) daherkommen.

Der östliche Zipfel in Richtung Stuttgarter Platz wird im Wesentlichen wohl das bleiben, was er ist: ein bewaldetes Biotop. Im Gegensatz zu heute, wo die Fläche eingezäunt ist, soll es aber für das interessierte Publikum zugänglich gemacht werden. Mit etwas Glück wird man dann einige der Biotopbewohner beobachten können: Schnecken, Eidechsen, Schlangen und Molche.
SEBASTIAN PETRICH

Februar 1, 2018

Schlagwörter: Kleingarten, Natur, Naturschutz, Umwelt, Westkreuz

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